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19.02.2025
Bei einer Veranstaltung der Kreisgruppe des Paritätischen mit seinen Mitgliedsorganisationen „Die Fittinge e.V.“ und der „Lebenshilfe Minden e.V.“ waren die Kandidaten des Wahlkreises der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien eingeladen. Nur der Vertreter der AFD war verhindert. Als Zuhörer und Gäste waren einige Mitgliedsorganisationen dabei, die Beiräte für Menschen mit Behinderung im Kreis Minden Lübbecke und der LH Rat. Also eine Vielzahl von Menschen, die täglich diesen Themen gegenüberstehen. In kurzen Statements konnten die Kandidaten ihr Ideen, Haltungen und Maßnahmen zur Inklusion von Menschen mit Handicap zu 5 Themenfeldern abgeben.
Die Fragen zu den Themen lauteten:
Barrierefreiheit: Was wollen Sie konkret für die Barrierefreiheit tun insbesondere bei der Zugänglichkeit von Arztpraxen, in Bereich Wohnen, der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum und bei den Mobilitätsangeboten?
Inklusion in der Bildung: Wie bewerten Sie den Stand der Umsetzung der Inklusion im Bereich Schule und Bildung?
Arbeit für Menschen mit Behinderung: Welche Maßnahmen sehen Sie vor zur Verbesserung der Inklusion im Bereich Arbeit? Wie wollen Sie die Alternativen zur Arbeit in WERKSTÄTTEN für Menschen mit Behinderung verbessern? Wie stehe Sie zur Forderung nach einem Mindestlohn in Werkstätten? Was wollen Sie tun zur Verbesserung der finanziellen Situation der Menschen mit Behinderung?
Pflege: Welche Verbesserungen von Leistungen der Pflegeversicherung sieht ihr Programm vor?
Sehen Sie besondere Lohnersatzleistungen für pflegende Angehörige vor? Wie wollen Sie dem Arbeits- und Fachkräftemangel im Bereich Betreuung und Pflege begegnen?
Umsetzung UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK):
In welchen Bereichen will sich Ihre Partei in der nächsten Legislaturperiode besonders für die Umsetzung der UN-BRK in Deutschland einsetzen?
Barrierefreiheit: Im öffentlichen Bereich ist viel passiert. Für Barrierefreiheit muss auch reguliert werden, damit im privaten Bereich investiert wird.
Bildung: Es gibt noch viele Herausforderungen, muss aber auch von der Landesregierung gelöst werden. Wir haben den richtigen Weg eingeschlagen, müssen da weiter und mehr machen. Bildung heißt ja auch außerhalb von Schule, dass wir mehr Lernen müssen in Bereichen Leichte Sprache oder auch Gebärdensprache.
Arbeit und Geld: Personalchefs haben oft noch Vorbehalte gegenüber Bewerbern mit Handicap, weil ihnen die Erfahrung mit den Menschen fehlt. Das einfache Freikaufen, das darf nicht sein. Das muss schwieriger gemacht werden. Werkstätten sind wichtig, weil Menschen dort gerne arbeiten. Das Geld aber, was da jetzt verdienst wird ist einfach zu wenig. Von heute auf morgen können wir nicht einen vollen Lohn zahlen, da wüssten die Werkstätten auch nicht, wie sie das machen sollen. Aber wir müssen da mehr auf den Weg kommen. Wir müssen das ernsthaft wollen und uns mit einem gerechten Lohn auch in der Werkstatt beschäftigen.
Pflege: Pflege überfordert die Familie komplett, kleine Vermögen werden dafür aufgebraucht. Das Erbe geht oft dafür drauf. Die SPD will einen Pflegedeckel von 1000€ einführen, mehr soll man monatlich bei Pflege nicht selber dazu bezahlen müssen. Es soll ein Familienpflegegeld für die Familie und nicht für die Einzelperson geben.
UN-BRK Umsetzung: Wenn was unterschrieben haben, müssen wir das auch umsetzen und es entsprechend auf die Prioritätenliste setzen. Da können wir nicht immer mit Ausreden kommen, dass es kein Geld dafür gibt. Wir müssen auch vielmehr miteinander reden und nicht übereinander. Daher sind wir heute auch hier, um noch im Anschluss an das Podium mit Menschen mit Handicap ins Gespräch zu kommen.
Barrierefreiheit: Die USA liegt mit technischen Innovationen für Menschen mit Handicap vorne, da können wir was abgucken. Dafür sollte gezielte Förderung stattfinden, damit das eingebaut werden kann. Wir haben in Deutschland schon viel geschafft, auch an baulichen Dingen. Das müssen wir in den nächsten Jahren verstetigen.
Bildung: Im Schuldienst war ich auch mit Inklusion konfrontiert. Wir können nicht jedes Kind in einer Regelschule beschulen. Sonderschulen sind ein gutes System für beeinträchtigte Kinder. Insgesamt sieht es schlecht aus mit der inklusiven Bildung aus, es fehlt an Ausbildung und Fachlichkeit. Das muss ja auch vernünftig laufen.
Arbeit und Geld: Bei den Förderprogrammen ist der Zugang für Arbeitgeber sehr bürokratisch. Daher müssen wir zwei Dinge machen. Das Rauskaufen der Unternehmen aus der Verpflichtung zur Beschäftigung sollte nicht mehr so einfach sein. Die Informationen zur Förderung müssen aber auch leichter zur Verfügung gestellt werden. Wir sollten keine Versprechen machen, die wir nicht einhalten können. Wir müssen erstmal Wirtschaftswachstum erzeugen, damit wir die Systeme überhaupt bezahlten können. Daher brauchen wir hier keinen Überbietungswettbewerb. Wir brauchen eher maßvolle Anpassungen, die sich an wirtschaftlichen Rahmenbedingungen orientieren.
Pflege: Es braucht eine grundsätzliche Reform der Pflegeversicherung. Im häuslichen Bereich muss es mehr Unterstützung geben. Bei der Pflege geht es nicht nur um die Bezahlung der Pflegekräfte, sondern auch um eine Verringerung der Fachkraftquote, oder auch um die Vermeidung vom Einsatz von Personaldienstleistern in Pflegeeinrichtungen. Wir müssen die Kostentreiber abschaffen, das bringt auch für die Qualität nichts. Die Akademisierung der Pflegeberufe in den letzten Jahren ist vielleicht auch zu weit gegangen.
UN-BRK Umsetzung: Rüge heißt ja nicht, dass nichts passiert sei. Wir müssen uns mehr anstrengen, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Da werden wir uns sicher noch streiten, wie wir damit weiter vorangehen wollen.
Barrierefreiheit: Teilhabe an der Gesellschaft insgesamt bedeutet: alle Räume müssen für alle erreichbar sein. Wir haben Investitionen geplant, dass in nächsten 10 Jahren alle öffentlichen Gebäude für alle erreichbar sind. Idas ist für alle, z.B. auch gut Kinderwagen. In den USA sind innovative Produkte für Barrierefreiheit auch ein Investitionsmotor. Wichtig ist, dass alle Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft sichtbar gemacht werden.
Bildung: Nur 30% der Förderschüler haben einen anerkannten Schulabschluss, nur 3% machen Abitur. Wir brauchen sehr individuelle Förderbedingungen. Eine Schule für alle ist gut, wir brauchen aber da auch Fachleute für andere Dinge (Sozialarbeiter, Psychologen), Lehrer können nicht alles machen.
Arbeit und Geld: Arbeit ist bei Geflüchteten und genauso bei Menschen mit Handicap ein wichtiger Integrationsmotor. Viele definieren sich über Arbeit. Werkstätten müssen weiterentwickelt werden, auch im Hinblick auf den Mindestlohn. Es braucht dort mehr Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Die Beschäftigungsquote sollte auch gesteigert werden. Bei gleicher Qualifikation müssen natürlich dann weiter auch Menschen mit Handicap vorrangig eingestellt werden.
Wenn wir eine Diskriminierungsfreiheit zum Ziel haben, dann sollten wir im Rahmen der Wirtschaft die Potenziale der Menschen nutzen. Unsere Gesellschaft hat viel mehr Potenzial als wir gerade nutzen. Wir müssen auch schauen, woher nehmen wir das Geld, was wir für unsere Gesellschaft brauchen. Ich spreche da auch von Milliardär Steuer. Wir müssen das Geld für die Dinge ausgeben, die für eine gute Gesellschaft wichtig sind. Hilfebedürftig kann jeder von uns werden.
Pflege: Pflege ist eine Gemeinwohlaufgabe und kann nicht gewinnorientiert betrieben werden. Da muss der Mensch im Fokus stehen. Wir haben Leistungen der Pflegeversicherung verbessert. Wir haben auch Arbeitsverbote aufgehoben und durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz für mehr Pflegende gesorgt.
UN-BRK Umsetzung: Ziel ist eine inklusive Gesellschaft. Wir wollen eine Enquetekommission, in der Menschen mit Handicap gemeinsam mit Fachleuten erarbeiten, wie die UNBRK umgesetzt werden kann. Wir müssen da mehr miteinander sprechen, um unsere Lebenswirklichkeiten besser kennenzulernen.
Barrierefreiheit: Wir brauchen Investitionen in Infrastruktur. Im Arbeitsmarkt sollen auch Menschen mit Behinderung leichter Zugang haben. Auch Fachkräftemangel können wir so mit begegnen.
Bildung: Hier ist Inklusion ein langer Prozess, Sonderschulen haben auch ihre Berechtigung. Wir haben auch nicht genug Personal. So gut es geht soll aber auch im Regelschulbetrieb mal Inklusion möglich sein.
Arbeit und Geld: Das Umsatzsteuerprivileg 7% für Integrationsunternehmen wurde beibehalten. Wir brauchen aber auch Wirtschaftswachstum, sonst gibt es auch keine Aufträge an die Werkstätten und Integrationsunternehmen. Wir haben ein Gesetz für einen inklusiven Arbeitsmarkt gemacht und einige bürokratische Hürden abgebaut. Für die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt gibt es schon viele Fördermittel, aber Unternehmen wissen oft nicht, was es gibt. Da zahlen sie lieber eine Abgabe als sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Da müsste der Landschaftsverband besser informieren.
Die Eingliederungshilfe ist schon der höchste Einzelposten beim Landschaftsverband. Da ist ein Mindestlohn von 15 € nicht finanzierbar, da sollte man keinen Sand in die Augen streuen. Wichtiger ist, dass es überhaupt Arbeit gibt.
Pflege: Wir müssen auch Pflegekräfte aus dem Ausland gewinnen. So haben wir auch eine Einrichtung in Petershagen, die die Menschen im Magreb, Indonesien oder Indien anwirbt und da weiterqualifiziert. Das finde ich ein tolles Beispiel. Aber wir müssen auch Anreize setzen, dass Menschen das Pflegerisiko selber zusätzlich absichern. Normalverdiener sollten das zusätzlich gefördert ansparen können. Eine Akademisierung im Pflegeberuf halte ich auch für kontraproduktiv. Die häusliche Pflege müssen wir weiter fördern.
UN-BRK Umsetzung: Ich bin da kein Experte, aber Deutschland hat das ja ratifiziert. Es gibt in der Umsetzung aber Interpretationsspielraum. Das kann man nationalstaatlich ja regeln.
Barrierefreiheit: Inklusion heißt: Alle sollen zu allen gesellschaftlichen Bereichen Zugang haben. (Behinderung, Migration, finanzielle Mittel). Das muss dann auch für die Privatwirtschaft gelten.
Bildung: Die EUBRK mahnt Sondereinrichtungen an. Wir brauchen mehr Lehrer, Lern- und Hilfsmittel. Wir wollen Eine Schule für alle bis zur 10 Klasse (bedeutet auch Chancengleichheit für Arme…), bis das erreicht ist, brauchen wir noch Sonderschulen.
Arbeit und Geld: Die Beschäftigungspflicht ist ausgehöhlt worden. Die Einstellungsquote soll auf 6% erhöht werden, und die Unternehmen sollen sich nicht mehr freikaufen können. Alle sollen die Chance haben auch auf dem ersten Arbeitsmarkt zu arbeiten. Aber einige wollen auch in den Behindertenwerkstätten arbeiten und die sollen das Wahlrecht haben. Wir brauchen eine andere Herangehensweise. Die Arbeitsagentur soll mehr vermitteln, die Arbeitsplätze können auch besser angepasst werden. Sonst werden Menschen mit Behinderung weiter in Werkstätten abgeschoben, das muss sich ändern.
Menschen, die mit Handicap in einer Werkstatt oder in einem Integrationsunternehmen arbeiten, die leisten doch was. Dafür steht ihnen der gesetzliche Mindestlohn zu. Nur Deutschland setzt das einfach nicht um. Das ist finanzierbar. Es gibt genug Reichtum in dieser Gesellschaft.
Pflege: in die Pflegevollversicherung, die wir anstreben, sollen erstmal alle, die Leistungen bekommen, auch einbezahlen. Auch Beamte und Bundestagsabgeordnete. Dann sollen auch alle erforderlichen Leistungen aus der Pflegekasse bezahlt werden. Ich versichere mich doch nicht, um nachher doch alles selber bezahlen zu müssen. Die Pflegeeinrichtungen müssen auch gut ausgestattet werden, damit die Pflege nicht bis zuletzt zu Hause geleistet werden muss. Diese Pflegeeinrichtungen müssen in kommunaler Hand oder in der Hand der Wohlfahrtsverbände bleiben, damit darf sich keiner dumm und dusselig verdienen.
UN-BRK Umsetzung: Gleichberechtigter Zugang zur gesellschaftlichen Teilhabe muss für Menschen mit und ohne Behinderung gewährleistet werden. Da hat Deutschland sich erstmal eine Rüge eingefangen. Vor allem im Bereich Arbeit und Bildung. Das muss nun einfach mal umgesetzt werden.
Im Anschluss an diese Statements nahmen sich die Kandidaten Zeit, sich mit den Gästen mit und ohne Handicap auszutauschen.
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